Heute ist geöffnet. Es ist Nachmittag. Du  trittst ein. Tauchst ein in eine andere Welt. In die Welt deiner Sehnsüchte, deiner Träume, deiner Vergangenheit, deiner Erinnerungen. Es riecht – ja wonach? Schulstube? Estrich deiner Grosseltern? Da, wo eine grosse dunkelgrüne Truhe war, gefüllt mit Schätzen aus einer längst gewesenen Zeit. Eine Zeit, in der niemand mehr wohnt. Alle sind sie schon fort, nur ihre Spuren bleiben zurück. Gesammelte Werke, kleine Schätze für die Nachwelt.

Hinten im Laden, hinter Bergen von noch mehr Puppen, siehst du ihn. Den Puppendoktor. Gebeugt über einer zerlegten Puppe. Eine kleine Lampe erhellt den nackten Puppenkörper.

Der Doktor begrüsst dich freundlich: „Ich komme gleich“.

„Oh, ich habe Zeit“, du  bist dankbar, dass du dich nun genauer umsehen kannst. Zeit zum Nachdenken, zum Versinken in Deinen Erinnerungen.

Hinter dir Berge von Teddies. Verschmuste, mit abgewetztem Pelz, kostbar-teure, auch ungeliebte, fast neue. Steiff-Teddybären, die berühmten, aber auch Billig-Produkte, und dennoch heisst geliebte, Spuren der Liebe überall.

Vor dir Kostbarkeiten: Puppen von Sasha Morgenthaler, Armand Marseille, Schildkröt, Petitcolline, Namen kommen dir in den Sinn, die du  im Internet beiläufig gelesen hast. Verbleichte Schönheiten, mit leuchten Augen, sie haben das Warten gelernt. Eng aneinander aufgereiht warten sie. Worauf? Auf einen Sammler, auf ein Kind, das sie wieder innig ans Herz drückt?

Dann steht er vor dir, der Puppendoktor. Ein Mensch mit feinen, liebenswürdigen Gesichtszügen, mit sanfter Stimme fragt er nach deinem Anliegen. Leicht verwirrt schaust du ihn an, ja was wolltest du eigentlich?

Du klaubst deine Puppe hervor, zaghaft, deine heiß geliebte. Und schämst dich ein wenig, weil sie dir so abgegriffen, so schmuddelig erscheint. Die Beine, aus Stoff, glänzen an einigen Stellen, am Kopf eine wüste Narbe, die an den Streit zwischen dir und deinem Bruder erinnert, und am Bauch dieser hässliche Tintenstrich. Ja, auch deine Puppe musste am Blinddarm operiert werden!

Dort wo ihre Augen waren, starren dich Löcher an.

„Sie sollte Augen bekommen“.

„Blaue waren es wohl, oder?“ der Puppendoktor kennt sie genau, deine Schildkröt-Puppe. „Die hatte blaue Schlafaugen“, ergänzt er. Ja, die könne er finden.

Er nimmt sie entgegen, seine Hände gehen behutsam mit ihr um, als ob er ein Karton frischer Eier tragen würde. Es berührt dein Herz. Man sieht es ihm an, das Einfühlungsvermögen für die Puppen und seine Mütter. Wie viele Puppenkinder er wohl schon behandelt hatte, wie viele werden es noch sein?

Du freust dich, deine Puppe bald wieder abholen zu können. Dann kannst du nochmals für einen kurzen Augenblick zurückschweifen in deine längst versunkene, kostbare Kinderzeit. Schwankend zwischen Freude, Sehnsucht, Schmerz und du bist dir nicht sicher, ob du daran erinnert werden willst, wie lange dies alles zurückliegt und wie wenig Zeit dir noch bleibt. Erinnert auch an all die lieben Menschen, die inzwischen nicht mehr dein Leben teilen, die damals für dich so kostbar und wichtig waren.

Es ist ein Hin und Her zwischen den Gefühlen und mit einer leisen Wehmut verlässt du den Puppendoktor, begleitet von seinem verständnisvollen freundlichen Lächeln und lieben Grusswort: „Auf Wiedersehen“ – er weiss, dass du nicht anders kannst, als dennoch wieder mal vorbeizuschauen, einfach so.

Wo wir zu finden sind? Wir Puppen, wir Teddies, und unser tüchtiger Doktor?

Hier seine Adresse: 

Max Pulver, Puppenklinik

Gerechtigkeitsgasse 36

3011 Bern

Tel. 031 312 07 71

Öffnungszeiten:

MO - FR 14.30-18.30

SA 11.00-16.00